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An die Freude

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng getheilt;
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Chor.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder - überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.
 
Friedrich Schiller (1759-1805)

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Gedanken zum Mai 2005

Monat Mai
 
Die Welt wird grüner mit jedem Tag. Uns, hier in Mitteleuropa, geschehen wieder die tausend Wunder des Frühlings. „In Südamerika beginnt der Frühling am 22. September“, so Erika aus Brasilien. “Das hat mich einmal sehr beeindruckt, als ich vor einigen Jahren im April Deutschland besuchte. Wie die Natur sich vom Winter verabschiedet und wie alles total neu wieder anfängt! Das war für mich ein Fest für die Augen und die Seele. Hier in den Tropen merkt man es nicht so wie bei euch, es gibt immer Grünes. Deshalb weiß man es nicht so zu schätzen.“
Wie so oft im Leben, genießen wir z. B. den Zauber einer Jahreszeit erst, wenn wir ihn ersehnen. Ein Sprichwort hoch aus dem Norden, aus Finnland, sagt dazu: „Das Wesen des Frühlings erkennt man erst im Winter, und hinter dem Ofen dichtet man die besten Mailieder.“

”Glauben Sie an Wunder? Es ist nämlich eins geschehen. ‚Niemand hat mehr was,’ heißt es überall ‚nichts mehr zu verteilen und zu verschenken in diesem Land.’ Doch plötzlich sind da 500 Millionen Euro im Staatssäckel und noch mal 500 Millionen in unseren Spardosen. Alles zu verschenken und zu verteilen. An die, die nach der Flut wirklich nichts mehr hatten. Plötzlich haben wir Geld, Brot für die Welt. Das ist doch ein Wunder, oder? Eine wundersame Vermehrung.“ Das Wort zum Sonntag vom 19. Februar 2005, gesprochen von der TV-Pfarrerin Mechthild Werner in der Sendung DasErste.de, enthält eine Grundfrage des christlichen Glaubens.
Seit dem Ableben von Papst Johannes Paul II. und der Amtseinführung von Benedikt XVI. werden verstärkt in Gesprächsrunden solche Fragen diskutiert: Welche Rolle spielt der Glaube in unserer „Angstgesellschaft“? Was stillt die neue Sehnsucht nach dem Sinn des Lebens? Warum vertraut die Jugend dem Papst? Kommt nun die Rückkehr der Religion? Antworten auf diese und andere Fragen sind nachzulesen bei Maybritt Illner, in ihrer TV-Sendung vom Donnerstagabend „Berlin Mitte“ am 7. April.
Im Kontext unseres Sprach-Programms ist es daher relevant, die Quellen, unsere Materialgrundlage unter solchen Aspekten zu überprüfen: Inwieweit sind sie „sinnstiftend“? Inwieweit erfüllen sie auch unseren Zweck, Lerner und Lehrer „zu humanisieren“? Die Forderung nach Humanität ist wohl erstmals im kulturgeschichtlichen Raum Europas besonders hörbar gewesen in Gottfried Herders (1744-1803) „Briefen zur Beförderung der Humanität“. Diese Forderung – ein bleibender generations- und epochenübergreifender Wert - ist als Orientierung auch in der Gegenwart unerlässlich, in der diese Werte, so vielfach bedauert, sozusagen verloren gegangen sind. Im ganzen Kontinent müssen sich deshalb staatliche und kirchliche Einrichtungen ernsthaft bemühen, Bedingungen für Solidarität und Nächstenliebe, für Selbstachtung und sinnvolles Handeln immer wieder zu befördern. Dafür aber wiederum ist es in erster Linie notwenig, unbeirrbare Hoffnung und Zuversicht in die Vernunft zu erhalten und zu vermitteln.

In diesem Zusammenhang sind die derzeit stark thematisierten Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit unter den Bedingungen des globalisierten Kapitalismus in ein bedeutsames Lernen konzentriert einzubeziehen. Seit der Erweiterung der europäischen Nation im Mai vergangenen Jahres (jetzt 25 Staaten!) geht es über die nationalen Belange hinaus in diesem Politikfeld um ein wirtschaftlich starkes und soziales Europa, in dem das Recht auf ein würdevolles Leben der Bürgerinnen und Bürger zu den Fundamenten der zur Annahme bereitstehenden Verfassung gehören muss. Über die Lerneinheit „Zur Reform des Wachstums- und Stabilitätspakts“ verwiesen wir schon auf die Entscheidung der europäischen Regierungschefs, die EU-Dienstleistungsrichtlinie vollständig zu überarbeiten. Dies geschah auf Druck des Europäischen Gewerkschaftsbundes. Er rief für den 19. März 2005 zu einer Demonstration „Für mehr und bessere Jobs“ in Brüssel auf. Bei den Demonstrationen zum 1. Mai 2005 in Deutschland und europaweit ging es in erster Linie auch darum, die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik im EU-Rahmen mitzubestimmen.
Die Mai-Demonstrationen in Deutschland spielten sich natürlich in diesem Jahr verstärkt auf dem Hintergrund der so genannten Kapitalismus-Debatte ab. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hatte am 13. April in einer Grundsatzrede erklärt, dass die international forcierten Profitmaximierungs-Strategien auf Dauer die Demokratie gefährdeten: "Unsere Kritik gilt der international wachsenden Macht des Kapitals und der totalen Ökonomisierung eines kurzatmigen Profit-Handelns."
Schon vor einem Jahrzehnt (daran sei achtungsvoll erinnert!) forderte die ZEIT-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff „Zivilisiert den Kapitalismus“. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul, bekannt durch ihre engagierte Arbeit als Entwicklungsministerin, fasst die laufende Debatte wie folgt zusammen: „Im Moment wird in Deutschland die Schlacht zwischen zwei Wirtschaftsmodellen geschlagen – zwischen dem neoliberalen US-Modell und dem kontinental-europäischen System der sozialen Marktwirtschaft. (...) Es ist die historische Aufgabe der SPD im 21. Jahrhundert, globale Standards zu setzen, um das global agierende Kapital zu zähmen.“(Der Spiegel, 17/2005, S. 26)

Auf der Suche nach den die soziale Interaktion auslösenden, die deutsche Wirklichkeit widerspiegelnden Stoffen wird es unsere Aufgabe nun sein, die produktiv-kontroversen Haltungen und Aktivitäten von gesellschaftlichen Ebenen und Einrichtungen und von deren Repräsentanten zu diesem Debattierfeld zu sichten und in Sprachübungen aufzubereiten. So bewertete beispielsweise die CDU-Vorsitzende Angela Merkel in einem Interview mit dem "Bonner General-Anzeiger" die Kapitalismus-Kritik Münteferings als einen Versuch der SPD, „von ihrem Scheitern bei der Fortsetzung von Reformen abzulenken“, während der EU-Kommissar Günter Verheugen die Auffassung derjenigen teilt, die sagen, dass Konzern-Unternehmen eine große Verantwortung gegenüber dem Einzelnen und der gesamten Gesellschaft haben: "Es ist auch in einer freien Wirtschaft nicht hinzunehmen, dass persönlicher Profit an die Stelle jedweder sozialen Verantwortung tritt". Wir empfehlen, die Serie "Die Zukunft des Kapitalismus", beginnend in der ZEIT 17/2005, zu verfolgen. Im Interview mit dem Porsche-Chef Wendelin Wiedeking über den Wert der Arbeit und die Auffassungen von Franz Müntefering räumt Wiedeking ein: "Wenn der Papst sich entsprechend äußert, bekommen alle glänzende Augen und jubeln ihm zu. Also muss eine solche Kritik auch Herrn Müntefering gestattet sein. Wir müssen über die Themen, die allen unter den Nägeln brennen, diskutieren."

60 Jahre nach Kriegsende ist es das uns übertragene Vermächtnis aller Opfer, der Welt ein humanes Gesicht zu schaffen. Seit Anfang Januar mangelt es nicht an Bezeugungen der Deutschen, sich der überlieferten schandvollen Erinnerungen daran zu stellen, was Menschen unter der Nazi-Herrschaft und im Krieg erleiden mussten. Die Ansprache des Bundespräsidenten Richard von Weizsäckers am 8. Mai 1985 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges ist daher aktuell wie eh und je. Eine seiner wichtigen Aussagen damals: „Wir gedenken insbesondere der sechs Millionen Juden, die in den deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden. Wir gedenken aller Völker, die im Krieg gelitten haben, vor allem der unsäglich vielen Bürger der Sowjetunion und der Polen, die ihr Leben verloren haben.“
Unsere Lerneinheiten zu solchem Gedenken erweitern wir in diesem Monat um das Sprachprogramm: „Ein Tag für die Demokratie!“. Wir folgen dem Aufruf des Senats von Berlin (Senatskanzlei) zu einer Veranstaltung am Brandenburger Tor, die von den Erstunterzeichnern des Aufrufs mitgetragen wird.
Die Frage, die das politische Berlin umgetrieben hat, war: Wie kann verhindert werden, dass neofaschistische Organisationen verschiedenster Struktur unter dem Motto "60 Jahre Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkult" am 8.Mai, dem 60. Jahrestag des Kriegsendes, wie einst die Nazis und die SA-Horden durch das Brandenburger Tor ziehen oder gar am Holocaust Denkmal vorbeimarschieren. Es gehört zum Grundbestand des Versammlungs-und Strafrechts, die Demokratie und die Demokrat/-innen zu stützen und zu verteidigen. Deshalb ist es unerlässlich gewesen, die geplante neofaschistische Demonstration durch das Brandenburger Tor gerichtlich zu verhindern. Auf Beschluss musste die Demonstration bereits an der Friedrichstraße enden.
In einem Kommentar zum 8. Mai äußerte Brigitte Fehrle: „Die Neonazis konnten am 8. Mai in Berlin nicht demonstrieren. Verhindert haben es die versammelte Staatsmacht und die Bürger der Stadt und des Landes. Sie haben die öffentlichen Plätze besetzt. Am Brandenburger Tor hatten Parteien, Gewerkschaften, Politiker zu einem Fest gerufen. Auf den Straßen der Innenstadt waren Demonstranten und die Polizei - jede Gruppe auf ihre Weise und doch irgendwie gemeinsam - bemüht, die jungen Nazis im Zaum zu halten. Es ist gelungen. Und das ist gut so.”

Was ist aber in Leipzig geschehen? Im sächsischen Freistaat genehmigte das Oberwaltungsgericht Bautzen den rechtsradikalen Provokateuren, wie schon zum wiederholten Male, am diesjährigen 1. Mai die verlangte Route durch das Zentrum der vom Bachfest international besuchten Stadt in den alternativ geprägten Stadtteil Connewitz. Mehrere tausend Gegendemonstrant/-innen stellten sich ihnen zwischen Hauptbahnhof und Wilhelm-Leuschnerplatz entgegen. Dabei flogen von beiden Seiten, leider auch unbelehrbar von autonomen Gruppen, die sich nicht in das demokratische Bündnis einbinden lassen, Feuerwerkskörper, Steine und Flaschen. Die Polizei setzte rechtsstaatlich Wasserwerfer, Schlagstöcke, Reizgas und berittene Beamte ein, um die geforderte Demonstration zu ermöglichen. Im Nachfeld dieses beschämenden Ereignisses laufen die Untersuchungen, ob die Härte der Polizei angemessen gewesen sei; u.a. geht es um den Einsatz von Wasserwerfern und Reizgas gegen eine friedliche gewaltfreie Sitzblockade Tausender, die sich dem anführenden Hamburger Neonazi Christian Worch und seinen freien Kameradschaften in den Weg gesetzt hatte.
Es erhebt sich für Leipzig und viele andere deutsche Städte die Frage: Auf der einen Seite also Gedenken der maßlosen Leiden und Opfer der Kriege und Gewaltherrschaft und andererseits, so Brigitte Fehrle weiter: „ein merkwürdiges Gefühl. Dieses Land hat gegen 3 000 junge Nazis alles aufgeboten, was es aufzubieten hat: Sämtliche Verfassungsorgane, alle politischen Parteien, Organisationen, Kirchen, Friedensdemonstranten, Linke und Polizei mit schwerem Gerät“. In diese Situation hinein formulierte Günter Grass ganz aktuell: „Ist unsere parlamentarische Demokratie als Garant für freiheitliches Handeln noch souverän genug, um den anstehenden Problemen des 21. Jahrhunderts gegenüber handlungsfähig zu sein?“ Dass der 8. Mai in Berlin ein Tag ohne Störungen blieb und der Nazi-Aufzug keine Chance hatte, seine Parolen durch die Stadt zu tragen, nannte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) im parlamentarischen Innenausschuss einen Erfolg der besonnenen Bürgerschaft und Gegendemonstranten. Wir werten dies als ein Maß für die nächste Zeit.

Es ist wie eine „Gnade“, dass wir Gegenwärtigen am 9. Mai den 200. Todestag von Friedrich Schiller feiern können. Wir wissen es, vor dem Unmenschlichen in Buchenwald erwies sich die humanistische Weimarer Klassik als machtlos, immer braucht Humanität eine geförderte und eingebrachte reale Trägerschaft. Aber deshalb auch gilt die Mahnung, auf die Hoffnung und Zuversicht, und im Falle Schillers, auch auf die Freude zu setzen.
Lesen wir so charakteristische Schillersche Verszeilen, wie aus dem Gedicht
“Die Hoffnung“:

„Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen;
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Solche „glücklichen, goldenen Ziele“ und Perspektiven in unseren Tagen,
Zivilcourage und lebendige Verantwortung
 
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