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"Wer dabei war, muß erzählen. Noch im Spätsommer 1990 - da war die Mauer lange weg, die Zöllner verschwunden, die Währungsunion vollzogen - noch damals dachte ich unwillkürlich: Du fährst nachher nach Westberlin. Wieviel Geld hast du bei dir? (Um es dem Zoll erklären zu können, falls er fragte.) Hast du ein Stück Manuskript einstecken? (Das der Zoll finden könnte?) Er hatte manchmal danach gefragt oder gesucht.
Anstatt von der Straßenbahn 46 am "Nordbahnhof" in die U-Bahn umzusteigen, oder besser noch "Oranienburger Tor", blieb man sitzen, weil man schon nicht mehr wußte, wo Eingänge sich geöffnet hatten. Die Mauer im Kopf stand länger als die aus Beton.
Zum anderen hatte sich die erbaute Mauer als Grenze nie ganz im Verstand aufrichten können."
Aus: Heinz Knobloch, Michael Richter, Thomas Wenzel, "Geisterbahnhöfe. Westlinien unter Ostberlin", Ch. Links Verlag, S. 13

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Gedanken zum November 2005

Monat November
 
Jetzt ist wieder Aufräumzeit im Garten, im Park und auf den Straßen. Bäume und Sträucher sind schon geschnitten, das Laub auf dem Bürgersteig muss immer wieder zusammengefegt werden. Gartenbesitzer sollten jedoch in dem fallenden Gold keine lästige Begleiterscheinung des Herbstes sehen, die mit Arbeit verbunden ist. NABU.de rät, die Blätter zum Schutz von Tieren und Pflanzen liegen zu lassen. Ab Mitte November schlummern die Igel in ihrem Winterquartier, für das sie einen Haufen aus totem Holz, Reisig und Laub zusammen tragen ...

Ein in mehrfacher Hinsicht bedeutender Gedenktag in Deutschland ist der 9. November. Er verbindet das Gedenken an Schuld und Verantwortung mit der Erinnerung an demokratischen Mut und mit der Hoffnung auf eine menschliche Zukunft.
Die Pogrome des 9. November 1938 leiteten die Vernichtungs-Phase des deutschen Antisemitismus und Rassenhasses ein. Sie führten zum industriellen Massenmord an Juden, Roma und Sinti, an Homosexuellen und Behinderten sowie am politischen und kirchlichen Widerstand
Daran mahnt in diesen Tagen besonders die vielfältige Dokumentation über den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des Dritten Reiches, der sich zum 60. Mal jährt. Er begann am 20. November im wilhelminischen Justizpalast und endete am 16. Oktober 1946 mit der Vollstreckung von 10 Todesurteilen durch den Strang in der Turnhalle dieses Palastes, der inmitten des völlig zerstörten Nürnbergs merkwürdigerweise heil geblieben war. Richard von Weizsäcker schreibt in seinem Erinnerungsbuch „Vier Zeiten“ (Siedler, 1997) über seine Reise nach Nürnberg im Winter 45 zusammen mit seinen publizistischen Kollegen Marion Dönhoff und Axel Busche, um sich „ein eigenes Bild vom gerichtlichen Umgang mit der Nazizeit zu machen“ (S.112 ff.). Seine Reflexionen über diesen für ihn „zeitgeschichtlichen Unterricht“, wie sie ihm nach seinen eigenen Worten „kein abstraktes Studium hätte je bieten können“ sind im III. Abschnitt des Buches, quasi im „III. Kapitel“ Weizsäckers Lebens, mit der Überschrift „Teilung Europas und Deutschlands in der bipolaren Welt“ nachzulesen. Diese Erinnerungsarbeit ermutigt den Leser, sich seiner eigenen Zeit im Fluss der Jahre bewusst zu werden, darüber nachzudenken, wie weit diese Epoche der deutschen Geschichte für ihn/sie zurückliegt und zu erkennen, dass sie in unser Heute noch immer hineinwirkt.
Wir wussten es alle: 2005 wird ein besonderes Jahr. Es stand im Zeichen des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, an die Befreiung Deutschlands für die okkupierten Völker und dann auch für das deutsche Volk vom grauenvollen Naziregime und der entsetzlichen Kriegskatastrophe. Wir begannen diese Erinnerungs-Reihe im Januar mit dem Gedenken an Auschwitz. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, hatte vor Betroffenheitsritualen zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers am 27. Januar gewarnt: „Unser Interesse ist darauf gerichtet, Jugendlichen in den geschichtlichen Zusammenhängen klar zu machen, was hier passiert ist“, sagte Spiegel. „Es geht dabei nicht um Schuldzuweisung. Es geht um die Verantwortung – nicht für das Gewesene, sondern für die Zukunft.“
Bevor wir uns in den folgenden Monaten, vor allem für Interessenten der Geschichte, mit dem Wiederaufbau und der komplizierten nationalen Situation Deutschlands nach 1945 widmen, stellen wir in einer Lerneinheit zum Nürnberger Prozess Faktenmaterial und Impulse zu Problemdiskussionen zur Verfügung. Das Nürnberger Tribunal liefert uns unwiderlegbaren Stoff für inhaltlich fundierte Schul- und Studienstunden. Auf produktive Bildung zielendes Lernen in der Gegenwart schließt unseres Erachtens ein, auch über die Fremdsprache eine der Grundfragen des Nürnberger Gerichts zu diskutieren wie, welche Mitverantwortlichkeit hat der Einzelne für grauenvolle Verbrechen. Durch die nachfolgenden Kriege und Vernichtungsprozesse - ob in Vietnam oder Bosnien - stellt sich immer wieder die Frage, gibt es bei solchen Verbrechen die Ausrede, auf Befehl gehandelt zu haben?
“Nürnberg“ gelte 60 Jahre danach als Mahnmal. Im Artikel (14/2005) „Ein Glücksfall der Geschichte“ von Thomas Darnstädt, erhältlich im kostenpflichtigen SPIEGELONLINE Dossier zum Nürnberger Prozess, verweist der Autor auf die Tatsache, im historischen Gerichtssaal des Justizpalastes hätten sie vor 60 Jahren das „neue, moderne Völkerrecht erfunden“. Hier hat der US-Chefankläger Robert H. Jackson die berühmte Rede gehalten, „die in jedem Schulbuch stehen sollte - und in vielen auch steht: ‚Verbrechen gegen das Völkerrecht werden von Menschen und nicht von abstrakten Wesen begangen. Und nur durch Bestrafung jener Einzelpersonen, die solche Verbrechen begehen, kann den Bestimmungen des Völkerrechts Geltung verschafft werden’„. Im SPIEGEL- Interview mit dem Nazi-Ankläger Whitney Harris in Nürnberg, der so genannten rechten Hand des US-Chefanklägers Jackson, lasen wir am 16. November Argumente, die für die gegenwärtigen Verhältnisse zutreffen. Harris ist ein großer Befürworter des internationalen Strafgerichtshofs und findet „es nicht in Ordnung, dass die Vereinigten Staaten das Statut noch immer nicht ratifiziert haben“.

Der 9. November erinnert auch unübersehbar daran, wie lange Deutschland als Ergebnis des Weltkrieges und des folgenden Kalten Krieges geteilt war und wie mutig und entschlossen die Bürgerbewegung der DDR 1989 die „Karikatur“ von Sozialismus in einer friedlichen Revolution überwunden hat (Lesen Sie dazu erweiternd die Rede Christoph Heins auf der berühmten Protestdemonstration in Berlin am 4. November 1989). Auch für diese Zeitphase - 16 Jahre seit dem Fall der Mauer - müssen viele Bürger/-innen auch schon wieder Erinnerungsarbeit leisten. Richard von Weizsäcker, zurzeit der Wiedervereinigung Bundespräsident, beschreibt seinen persönlichen Rückblick im IV. Kapitel des schon erwähnten Buches: „Eine Lage entstand, wie wir sie nie erlebt hatten. Auf der einen Seite war die DDR konstitutionell von einer Demokratie noch weit entfernt. Andererseits aber war es wirklich das Volk, von dem die Impulse ausgingen, weit mehr als in der Routine einer etablierten Demokratie, wie wir sie im Westen gewöhnt waren. In der Hand des Volkes lag faktisch so etwas wie die Richtlinienkompetenz für die Politik“ (S. 368). Das demonstrierende Volk war Weizsäckers Meinung nach die Offenbarung der Wendezeit und die entscheidende Kraft bei der Einleitung des Einigungsprozesses.
Von dieser Problematik aus möchten wir gern an unsere deutsch-deutsche Beziehungsarbeit vom Oktober anknüpfen, wie sie auch in führender Publizistik weiter zu verfolgen war. Christoph Dieckmann verweist in der „ZEIT“/ 46 erneut auf die „ostdeutsche Kränkung“, erzeugt durch die andauernde Ungleichheit von Ost und West. Er nannte dabei die bekannten Gründe: „irreparable Massenarbeitslosigkeit, ostdeutsche Geschichts-Enteignung, altbundesdeutsche Mediendominanz“. Wie Recht dieser Autor hat, dass das „Ostvolk“ in westdeutscher Sicht teilweise „als unbelehrbare PDS-Masse eingesargt“ wird, bewies die viermalige Nicht-Wahl des Vorsitzenden der Linkspartei Lothar Bisky als Vizepräsident im neu gewählten Bundestag. Wichtigen Aufschluss dazu vermittelt das Interview mit dem Linksfraktions-Chef Gregor Gysi in der „SUPERillu“/ 47 „Warum ich so wütend bin“.

Der November 2005 erhält aber möglicherweise eine neue Bedeutungs-Schicht dadurch, dass der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck mit großer Mehrheit zum neuen SPD-Vorsitzenden gewählt wurde. Einsichten dazu vermag ebenfalls der Beitrag von Ch. Dieckmann „Weisheit des Neustarts“ in Bezug auf die Wahl zur Kanzlerin Angela Merkel und den großen Sprung von Matthias Platzeck erschließen. Beide „brandenburgisch geerdet“ hätten zutiefst die „Erfahrung des Scheiterns“ durchlebt: „Gesellschaften zerfallen, wenn ihre tragenden Säulen brechen“.
Unser Kommentar dazu möchte bedenken, dass beide, Merkel und Platzeck, in ihrer DDR-Zeit ihre „Sprachlosigkeit überwunden“ und sich darin geübt haben, den berühmten „aufrechten Gang zu erlernen“ (Lesen Sie dazu die Rede des Schriftstellers und ehemaligen Alterspräsidenten Stefan Heym auf jener November-Demo 1989 in Berlin). Hier schließt sich auch der Kreis zu Richard von Weizsäckers nuanciertem Verständnis des so genannten DDR-Volkes. Wir nehmen an, dass Politiker zur damaligen Zeit das Demokratieverständnis vieler DDR-Bürger/-innen unterschätzt haben.
Wer hätte in der „Potsdamer Schlössernacht“ im August dieses Jahres davon geträumt, dass Matthias Platzeck ein Stück „ostdeutsche Emanzipation“ (Ch. Dieckmann) in die gesamtdeutsche Politik einzubringen vermag. Seine Rede zum 3. Oktober enthielt bemerkenswerte Sätze - seiner Meinung nach fast Binsenweisheiten - zum Gelingen u.a. vom „Aufbau Ost“, die auch von westdeutschen Politikern im Feiertags-Publikum durch ihre Mimik positiv bewertet wurden. Das Fernsehen ist da unbestechlich und lässt es uns sehen.

Den letzten Abschnitt seines Buches überschreibt Richard von Weizsäcker „In der Freiheit bestehen“. Auf heute bezogen geht es nun darum, sich im „aufrechten Gang“ unter den neuen Bedingungen der bundesdeutschen Wirklichkeit im 21. Jahrhundert zu behaupten. Das Volk, heute der „Souverän“ genannt, hat beiden Volksparteien ähnliche Machtverhältnisse in der BRD beschert. Es obliegt ihnen, auf der einen Seite aus christlich-demokratischem Ethos und auf der sozial-demokratischen Seite aus einem zutiefst sozialen Gewissen heraus, die Erkenntnis umzusetzen, dass, wie Matthias Platzeck in seiner Rede auf dem SPD-Parteitag fordert, „ökonomischer Erfolg und wirtschaftliche Dynamik im 21. Jahrhundert nur unter einer einzigen Bedingung wirklich zu erlangen sind: Nämlich, wenn man den gesellschaftlichen Zusammenhalt bewahrt“.

Die turbulenten Herbst-Prozesse in Deutschland begleiteten wir in unserem E- Sprachtraining mit drei Lerneinheiten. Dazu eröffneten wir im Themenindex zum Kernthema „Lebensweise & Gesellschaft“ unter „Deutschland & Europa“ ein neues Unterthema, das sich den Ereignissen nach dem Aufruf zu Neuwahlen im Mai und nun den Entwicklungen nach der Wahl widmet. Die soziale Interaktion wird sich vor allem daran entzünden, wie von den einzelnen gesellschaftlichen Einrichtungen der Koalitionsvertrag bewertet wird. Ein Vorgeschmack dazu ist das ausführliche Dossier von der Oppositions-Bundesfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN „Große Koalition – mittelmäßige Antworten: „Zu viel Kuhhandel, zu wenig Zukunft“. Die Linksammlung zu den Prä- und Post-Wahl-Lerneinheiten laden zum Selbstlernen über das Selbststudium ein. Hier wird in einer Vielfalt von Beiträgen die Einsicht geübt, dass wirtschaftliche Dynamik und soziale Gerechtigkeit in einem Sozialstaat Europa Hand in Hand gehen müssen.

Nach unseren ersten Recherchen in Richtung Kultur war in den laufenden Koalitionsverhandlungen der „miniaturisierende Blick zunächst der bestimmende“. Auf den neuen Kulturstaatsminister warten nach Meinung von Thomas E. Schmidt (DIE ZEIT/44) große Aufgaben.
Zunächst durften Dresden und seine Ehrengäste am 30. Oktober bei strahlendem Sonnenschein die Weihe der wieder aufgebauten Frauenkirche erleben. Am 4. und 5. November waren die Sächsische Staatskapelle Dresden und der Chor der Sächsischen Staatsoper mit Ludwig van Beethovens "Missa solemnis" in der Dresdner Frauenkirche zu Gast. Fabio Luisi, Dirigent an jenem Abend, äußerte sich so:
"Der Bau und die Weihe einer Kirche ist etwas, was mit unserer Spiritualität zu tun hat. Als gläubiger Katholik bin ich der Überzeugung, dass das ein ganz besonderer Moment ist. Dazu kommt, dass gerade diese Kirche eine Symbolfunktion von unglaublicher Stärke hat - für Dresden, für Ostdeutschland, für mich, auch für ganz Deutschland."
In einer Motette von Johann Sebastian Bach (1685-1750) heißt es, sicherlich auch für uns heute noch tröstlich: “Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“.

Ihnen viel Vorfreude auf die kommende Adventszeit
Ihre Projektgruppe

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