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Septembertag

Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit,
die dich befreit, zugleich sie dich bedrängt;
wenn das kristallene Gewand der Wahrheit
sein kühler Geist um Wald und Berge hängt.
Dies ist des Herbstes leidvoll süße Klarheit.

(Christian Morgenstern)

zum Übungskalender
 

Gedanken zum September 2006

Monat September
 
" 'Setz Dich, trink einen Tee und iss mit uns!'. Diesen Satz hören die 19 Helfer des Technischen Hilfswerks, die derzeit im Südlibanon eingesetzt sind, mehrmals täglich. In Srifa, rund eine Autostunde von der Basis des THW in den Bergen bei Nabatia entfernt, arbeitet ein mobiler Instandsetzungstrupp des THW.“
In der Pressemitteilung vom 11.09. lesen wir weiter: „Der Ort mit rund 15.000 Einwohnern ist zu großen Teilen zerstört. Viele Häuser sind dem Erdboden gleich gemacht und liegen völlig in Trümmern. In einem Hinterhof ist ein gewaltiger Bombentrichter mit rund 15 Meter Durchmesser und rund sechs Meter Tiefe zu sehen. Hab und Gut der Bewohner liegt verteilt über der grauen Trümmerwüste“...

Es gehört zu unserem Bildungsverständnis, die Gedankenwelt und den Sprachschatz der Lernenden mit konkreten Beispielen humanitärer Hilfeleistungen von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen in Katastrophenregionen auszustatten. So hielten wir es u. a. beim Tsunami 2004 in Südasien und dem Hurrican im amerikanischen Bundesstaat Louisiana, der sich gerade in diesen Tagen jährte.
Der rund fünfwöchige Krieg im Libanon mit seiner verheerenden Bilanz – 1187 Tote, 4060 Verwundete, systematisch zerstörte Fabriken, (erst vor kurzem wiedererrichtete) Brücken und Häuser – veranlasste uns ebenfalls, Meldungen über die zivile Hilfe für den Libanon, für die Flüchtlinge, für den Wiederaufbau der dort zerstörten Infrastruktur für Sprachübungen / zur Wissenserweiterung auszuwerten und festzuhalten. Übungsabfolge und Link- Sammlung der Lerneinheit „Wiederaufbauhilfe im Libanon“ reflektieren die internationalen und auch deutschen Friedensbemühungen im nahöstlichen Krisengebiet. Sie fallen in die Zeit des "Antikriegstags", der alljährlich am 1. September in Deutschland begangen wird. Er erinnert an den Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem Überfall der Nazi-Wehrmacht auf Polen am 1. 9. 1939. Die Initiative für diesen Gedenktag ging vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) aus, der erstmals am 1. September 1957 unter dem Motto "Nie wieder Krieg" zu Aktionen im mahnenden Gedenken an die Opfer dieses Krieges mit mehr als 60 Millionen Toten aufrief.

Der fragile Waffenstillstand im Nahen Osten ist in Kraft, und im Norden Israels wie in den Dörfern des Südlibanon begannen die Menschen, zum täglichen Leben zurückzukehren. In die zahlreichen Bemühungen um den Wiederaufbau im Libanon - die Geberländer versprachen auf ihrer Konferenz 730 Millionen Euro für Hilfsmaßnahmen - mischten sich von allen Seiten die Hinweise auf das Problem der nicht explodierten Reste von Streubomben. Diese wirken wie Minen und gefährden vor allem das Leben von spielenden Kindern und nun zurückkehrenden Flüchtlingen insgesamt.
In diesem Kontext wiederholt sich ein Konfliktstoff zwischen dem Zentralrat der Juden und der deutschen Regierung. Der SPIEGEL-Artikel "Uno-Koordinator nennt Israels Kriegsführung unmoralisch" vom 31.08.2006 führte aus, wie Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) vom Zentralrat der Juden kritisiert wurde, weil sie eine UNO-Untersuchung zum israelischen Einsatz von Streubomben im Libanon gefordert hatte. Laut SPIEGEL verteidigte sich Wieczorek-Zeul im "Handelsblatt" gegen die Kritik des Zentralrats. "Das Engagement für das Existenzrecht Israels und gegen Antisemitismus gehört zu den politischen Konstanten meines Lebens", sagte sie. Ihre Kritik am Einsatz von Streubomben im Libanon gelte genauso anderswo auf der Welt, „denn Streubomben gefährden Zivilisten, vor allem Kinder".
Damit erhebt sich erneut ein gesamter Fragenkomplex zu den deutsch-israelischen Beziehungen in der Vergangenheit und Gegenwart. Man könnte abermals so beginnen: Darf man hinter jeder Kritik an der israelischen Politik Antisemitismus „wittern“? Ist eine solidarische Haltung mit den Menschen, deren Häuser zerbombt worden sind, die den Verlust von Armen oder Beinen in Kauf nehmen müssen, wenn sie ihre Felder bestellen wollen, anti-jüdisch?
Zu Recht sagte die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, der in Dresden erscheinenden „Sächsischen Zeitung“ (Freitagausgabe): „Wenn ich über Israel rede, spreche ich über das Volk, über die Menschen, die 30 Tage in Bunkern sitzen mussten. Damit haben sich viel zu wenig Menschen beschäftigt. Auch über monatelangen Raketenbeschuss im Norden Israels habe ich kaum Berichte gefunden“.

Diese Äußerung zwingt uns, zu den Anfängen nach dem Kriegsende 1945 zurückzukehren. Die Schlussfolgerung der Antifaschisten, der KZ-Opfer, des Widerstands gegen die Nazis lautete: Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus. Daraus leitet sich zwingend auch gegenwärtig ab, einen Krieg gegen die unschuldige Zivilbevölkerung in Israel, Palästina und Libanon zu verhindern. Das mag sehr vereinfacht klingen, nur so lässt sich aber gedankliche Klarheit schaffen: Gerechtigkeit für die Völker Palästinas und Libanons ist die Vorbedingung auch für Frieden und Sicherheit in Israel.
Conrad Schuhler, Mitglied der AG Friedensforschung an der Uni Kassel, setzte sich in seiner Rede auf der Kundgebung zum Antikriegstag in München mit der Frage auseinander: Haben wir Deutsche eine besondere Verantwortung für Israel und für das jüdische Volk? Und er beantwortet sie selbstverständlich so: „Ja, die haben wir ohne jeden Zweifel. Das deutsche Naziregime hat sechs Millionen Juden umgebracht, so viele, wie heute in Israel leben.“
Daraus ergibt sich in unserem Selbstverständigungsprozess logisch die Frage: Welchen Beitrag kann Deutschland heute leisten, dass auch deren Existenz nicht wieder bedroht wird?
Historischer Fakt ist, dass nach der millionenfachen Ermordung der europäischen Juden von der UNO 1948 beschlossen wurde, den Staat Israel zu gründen. Die Existenz dieses Staates hatte aber, und unabweisbar muss dies gesehen werden, wenn dieser Prozess beurteilt wird, enorme Konsequenzen für das Leben der Palästinenser/ -innen, die bis heute noch um die Schaffung eines rechtmäßigen eigenständigen Staates ringen müssen. Deutschland ist also sowohl gegenüber Israel als auch gegenüber den Palästinensern verpflichtet, die seit Jahrzehnten einen katastrophalen Teil der Folgen - Vertreibung / Flüchtlingslager / Landwegnahme durch Besiedlung / Existenzvernichtung / niedrigster sozialer und kultureller Lebensstandard u. a. - zu tragen haben, ohne dafür verantwortlich zu sein. Es gilt demnach in Bezug auf die deutsche Position, sich nicht einseitig auf die Sicherheitsinteressen Israels zu konzentrieren, sondern wirksam für gegenseitige Anerkennung, Toleranz und nachhaltige Gerechtigkeit für beide Staaten einzutreten.

Hier bedarf es folgenden kleinen Einschubs, um einem humanisierenden Lernansatz gerecht zu werden. Am 13. März 2005 ging der bekannte Erich-Mühsam-Preis in Lübeck an die israelische Rechtsanwältin Felicia Langer. Alle zwei Jahre wird auf der Tagung zu Ehren des jüdischen Schriftstellers, der in der Nacht zum 10. Juli 1934 im Konzentrationslager Oranienburg von SS-Bewachern ermordet wurde, der Preis mit dessen verehrenswertem Namen verliehen. Ein gewähltes Gremium schlägt Personen und Gruppen zur Auszeichnung vor, die sich mit Zivilcourage und moralischer Unbeirrbarkeit für soziale Gerechtigkeit und verfolgte Minderheiten einsetzen. In seiner Laudatio hob Werner Ruf, Kassel, zur Begründung des Preises hervor: „Felicia Langer begann als erste jüdische Anwältin, Palästinenser zu verteidigen, für ihre Rechte als Menschen, für das Prinzip der Gleichheit und der Gleichbehandlung“. In einer Leseprobe aus „Superfrauen“, 14 Bücher auf einer CD-Rom, herausgegeben von Ernst Probst, ist zu lesen: „Ihr ungewöhnliches Engagement begründete sie mit der schmerzvollen Geschichte ihres eigenen Volkes. Sie sagte: ‚Weil wir Juden wissen, was es heißt zu leiden, dürfen wir nicht andere unterdrücken.’ “
Felicia Langer schloss 1990 ihre Kanzlei in Tel Aviv. Sie lebt seither mit ihrer Familie in Deutschland, in Tübingen, und kämpft weltweit mit Vorträgen, Diskussionen und Lesungen über die historischen und aktuellen Ursachen der Kriege und Gewaltprozesse in Nahost. Im Göttinger Lamuv-Verlag veröffentlichte sie zu diesem umfassenden Problemkreis politische Publizistik in wachsender Zahl.

Dieser Einschub ist uns wichtig, damit wir in unseren Überlegungen zur aktuell politischen Lage im Nahen Osten uns gleichrangig mit der vielfach dokumentierten israelischen Willkür, den verabscheuungswürdigen palästinensischen Terrorakten und den völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen der libanesischen Hisbollah beschäftigen. Es gilt danach zu fragen: Worin liegen die Ursachen, wie wurde der Nährboden für den jahrzehntelang schwellenden Konflikt im Nahen Osten geschaffen?

Die sozial und politisch engagierte Künstlerin Käthe Kollwitz schuf 1924 die Gestalt einer kämpfenden Frau mit dem mahnend hochgereckten Arm, die mit den Worten „Nie wieder Krieg“ entschlossen für die Sicherung des Friedens eintritt.
"Wenn ich mich mitarbeiten weiß in einer internationalen Gemeinschaft gegen den Krieg, hab' ich ein warmes, durchströmendes und befriedigendes Gefühl. [...] Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind", notierte sie dazu in ihrem Tagebuch.
Das Stimmungsbild in der deutschen Presse zum Libanon-Einsatz der Bundeswehr bedarf der Rückbesinnung und des aktuellen Sinns für Realität zugleich. Die Weltöffentlichkeit ist hinreichend sensibilisiert zu verfolgen, wie die vielfach versprochene Chance auf eine nachhaltige Friedensregelung wahrgenommen und umgesetzt wird. Von ihr bleibt aber dann auch unbedingt weiterhin zu verlangen, dass sie über ihre jeweiligen politisch-staatlichen Strukturen und Kräfte den w i r k l i c h e n, den wirksamen Frieden einfordert.

Fühlen wir uns für das verantwortlich, was unseren individuellen Lebenskreis übersteigt.

Ihre Margret Liebezeit & Projektgruppe

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