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» (...) Ich beschäftige mich seit fünfzig Jahren mit der englischen Sprache und Literatur, so daß ich Ihre Schriftsteller und das Leben und die Einrichtung Ihres Landes sehr gut kenne. Käme ich nach England hinüber, ich würde kein Fremder sein.«
Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe

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Gedanken zum Februar 2008

Monat Februar
 
Es ist schon eine Zeit lang her, dass wir im Winter mit Sicherheit hören konnten, wie der Schnee unter den Sohlen knirscht. Heute erinnern wir uns gern an klirrende Kälte und an Spaziergänge in tief verschneiten Gegenden mit wehenden Atemfähnchen.
Die Zeit langer Winternächte geht im Februar zu Ende, zu Lichtmess am 6. scheint die Sonne bereits wieder bis fast halb sechs Uhr abends. Viele Regionen feiern das Ende der kalten, harten Jahreszeit mit alten Fastnachtsbräuchen - die Fastnacht 2008 liegt allerdings sehr früh im Monat, Rosenmontag ist bereits am 4. Dafür können wir diesen Februar insgesamt länger genießen: Im Schaltjahr 2008 endet er erst am Freitag, dem 29...

Erschütternde Ereignisse und Anlässe bewegen wieder unser Land. Der Türke Serkan A. hatte einen Rentner gemeinsam mit einem 17-jährigen Griechen kurz vor Weihnachten brutal zusammengeschlagen, nachdem der Mann sie aufgefordert hatte, in der U-Bahn nicht zu rauchen. Die Bilder einer Überwachungskamera, auf denen zu sehen ist, wie die beiden mehrfach vorbestraften Jugendlichen unter anderem auf den Kopf des Mannes eintreten, sorgten bundesweit für Aufsehen und lösten einen fast unversöhnlichen Streit innerhalb der Großen Koalition der Bundesregierung über das Jugendstrafrecht aus.
Die Debatte über den Kinderschutz, angestoßen durch den qualvollen Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie aus Schwerin im November 2007, ging nahezu nahtlos in den Streit über die ansteigende Jugendkriminalität in Deutschland über. Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, uns schon durch seine Äußerungen zur Kindeswohl-Vernachlässigung in seinem Berliner Stadtbezirk bekannt, klärt uns auch zu diesem Problem aus seiner langjährigen Erfahrung auf. Eine Debatte über Jugendgewalt sei dringend erforderlich, sagte Buschkowsky. "In unserem Bezirk haben wir es mit 149 Intensivtätern zu tun." Diese Zahl habe sich in den vergangenen zwei Jahren verdreifacht. "Um es klar zu sagen: Es sind nicht alle Migranten Gewalt- und Serientäter. Wir reden über eine winzige Minderheit, die aber kapitalen Schaden im Sozialgefüge anrichtet", so Buschkowsky. (Neukölner SPD-Bürgermeister unterstützt Koch, Der Tagesspiegel, 12.01.2008)
Hier werden wir mit einem Bündel von Problemen in der gegenwärtigen modernen Zivilgesellschaft konfrontiert. Das Erregungspotential nimmt zu Recht Formen von Empörung und Protest an, wenn die Fragestellung von Jugendgewalt darauf reduziert wird, dass in Deutschland zu viele kriminelle Ausländer leben, wie es wiederum der hessische Ministerpräsident Roland Koch in seinem Landtagswahlkampf vehement vorgeführt hat.

Für unser Sprachtraining verfolgen wir vor allem die Diskussion, wo Jugendgewalt weniger als ein ethnisches als ein soziales Problem gesehen wird. Hannes Heine bringt es im Tagesspiegel wie folgt auf den Punkt: “Sie sind männlich, zwischen 18 und 20 Jahre alt und haben oft eine lange Karriere mit Schlägereien und Überfällen hinter sich. Mehr als die Hälfte der knapp 6900 Insassen deutscher Jugendstrafanstalten sitzt wegen einer Gewalttat ein, 96 Prozent der Gefangenen sind Männer, fast alle schon zuvor aufgefallen. Diese Zahlen sind seit Jahren konstant. Während Ausländer neun Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind 20 Prozent der Häftlinge in den Jugendgefängnissen nichtdeutscher Herkunft. Doch Fachleute sind sich einig: Je weniger Bildung er hat und je ärmer er ist, desto eher wird ein junger Mann kriminell – darin unterscheiden sich Deutsche nicht von Einwanderern. Fast zwei Drittel aller jungen Häftlinge haben keinen Schulabschluss, 90 Prozent keine Berufsausbildung.“ Daraus folgt ganz eindeutig, es ist kein ethnisches Problem. Konkrete Ursachen und Gründe für die Jugendkriminalität sind soziale, familiäre und bildungspolitische Zustände.

Ohne Zweifel ist die zentrale Thematik dieser Tage sehr vielschichtig, hat tiefe Wurzeln und muss für den Fremdsprachenerwerb dosiert aufbereitet werden. Es ist gar nicht aus den Augen zu verlieren, da traurigerweise, wie bei der Kindeswohlgefährdung - auch im laufenden Jahr verhungern wieder Kinder, und Plüschtiere und Kerzen stehen vor Haustüren - fast täglich brutale Schlägereien in S- oder U-Bahnen gemeldet werden. Um die „Krawall-Tage in der Großen Koalition“ über das Jugendstrafrecht zu verstehen, führen wir als Ausgangsposition an, wie der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Jürgen Gehb, das Problem sieht. „Volljährige Straftäter im Alter von 18-21 endlich und ausnahmslos wie Erwachsene und nicht wie minderjährige Jugendliche zu bestrafen ist eine alte Forderung der Union.“ Dr. Hans Peter Uhl konstatiert: „(...) CDU und CSU treten für einen wirksamen Schutz der Bevölkerung ein, der angesichts von Gewaltkriminalität den Vorrang haben muss vor allen Formen des Verständnisses für Täter, der Spekulation ‚soziale Ursachen’ und der erzieherischen Nachsicht.“
Diesem kurzsichtigen Nachdruck auf Strafen setzen wir die Ansicht der Bundesfraktion Bündnis 90/Die Grünen dagegen: „Unsere Antwort auf Jugendgewalt ist erstens umfassende Prävention, die verhindert, dass aus Kindern gewalttätige Jugendliche werden, und zweitens ein rasches wirksames Reagieren auf Gewalttaten.“

Um die beiden Ansätze, Verschärfung des Jugendstrafrechts und Handeln im Sinne des Verständnisses für die oben benannten konkreten Ursachen von Jugendgewalt, ordnen sich nun alle weiteren thematischen sowie sprachlichen Aufgaben. Dabei stehen die Sprachübungen für feste, kleinschrittige Trainingsabschnitte und die sich ständig erweiternde Linksammlung für Kontinuität. Beide Lern-Elemente sind als eine zwingende Einheit zu sehen und bedingen einander, setzen sich quasi gegenseitig voraus.
Die laufenden Nachrichten variieren das thematische Spektrum und ergänzen es stets um neue, mannigfaltige Facetten. Da greifen wir dankbar auf: „Wir müssen zu einer Art Eltern-Coaching kommen“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Denn: „Kriminalität ist männlich“. Elterliche Erziehung, die Gewaltbereitschaft fördere, sei ein Schichtenproblem, unterstützt durch kulturelle Faktoren. Deshalb müsse Körtings Meinung nach staatliche Gewaltprävention die Eltern nicht erst dann einbeziehen, wenn die Kinder zur Schule gingen, sondern schon in der Kita. Hier nutzen bzw. vertiefen wir unsere Sach- und Sprachkenntnisse aus unseren Lerneinheiten zu den OECD-Bildungsstudien, u.a. „Bildung auf einen Blick 2007“. Wiederholt wird in der Medienöffentlichkeit darauf hingewiesen, dass in Deutschland stärker als in anderen europäischen Ländern der Bildungserfolg weiterhin fundamental von sozialer Herkunft abhängig ist. Offenbar gelinge es dem deutschen Bildungssystem zunehmend weniger, junge Menschen aus Problemschichten und insbesondere Heranwachsende mit Migrationshintergrund der zweiten oder dritten Generation hinreichend schulisch zu integrieren und damit die Voraussetzungen für gesellschaftliche Integration und Teilhabe zu schaffen.
Ein Interaktions-Impuls könnte die Frage sein, inwiefern es ein schwierigerer Weg ist, diesem bildungspolitischen Skandal Abhilfe zu schaffen als nur nach dem schärferen Strafrecht zu rufen. Dazu ermutigt Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung vom 20. Februar: „Als großes Wundermittel lässt sich Bildung leicht beschwören. Man muss aber den Mut, das Geld und die Geduld aufbringen, die Schulen zu Zentren der Integration auszubauen, in denen Kinder und sogar Eltern besser gefördert werden können.“
Neben der Stärkung der Bildungseinrichtungen für Deutsche und Nichtdeutsche und Förderung sowie Einbindung der Eltern, ebenfalls deutscher und nichtdeutscher Herkunft, werden wir zukünftig den Aspekt Integration als einen wechselseitigen Prozess thematisieren. Nach Meinung von Özcan Mutlu, bildungspolitischem Sprecher der Grünen im Bundestag, müssen Migranten-Kommunities akzeptieren, „dass sie nicht ewig überholte Wertvorstellungen und Rollenmuster beibehalten können. Patriarchalische Familienverhältnisse und eine verbreitete Machokultur sind in Verbindung mit Bildungsmangel, wirtschaftlicher Chancenarmut und dem Gefühl, ohnehin ausgeschlossen zu sein, ein giftiges, Gewalt begünstigendes Amalgam.“ Ein Reiz-Impuls in diesem Zusammenhang könnte sein, Ehre, Identität und Glauben tue es keinen Abbruch, wenn die Migranten-Minderheiten sich aus eigenem Antrieb der Erkenntnis öffneten, dass jegliche Art von Gewalt abzulehnen ist und dass Mädchen und Frauen dasselbe Menschenrecht auf Selbstbestimmung haben wie Männer (Özcan Mutlu). Wie Mehrheitsgesellschaften und so genannte Minderheiten verantwortlich zusammen leben können, dieses Miteinander wird uns wie viele andere angeschnittene Brenn-Punkte das ganze Jahr und sicher weit darüber hinaus beschäftigen.

Mit Fokus auf Deutschland gilt es im Moment auch auf die offene Auseinandersetzung mit der Gefahr eines Zerfalls der Zivilgesellschaft nicht nur durch die Gewalt von Jugendlichen, sondern auch durch brutale Wirtschafts- und Steuerskandale einzugehen. Es geht um die „Ethik des Genug“ (Bischöfin Margot Käßmann), die schon durch die Debatte über die überhöhten Manager-Gehälter geführt wurde. Das rücksichtslose „Sich- Bedienen“ der „da oben“ ist kein Erziehungs-Modell für Heranwachsende, Inländer sowie Eingewanderte.
Landauf, landab rollt derzeit die Razziawelle. Die Durchsuchung bei Ex-Postchef Zumwinkel bildete nur den Auftakt. Gegen Hunderte mutmaßliche Steuerhinterzieher, die ihr Geld - offenbar zum Teil gezielt von Privatbanken und anderen Geldinstituten beraten - nach Liechtenstein und in andere Steueroasen transferierten, wird ermittelt. Die Mächtigen und Reichen sind im Visier von Steuerfahndern und Staatsanwaltschaften.
Dass ausgerechnet die Eliten, die doch eigentlich Vorbild sein sollen, am Gemeinwesen vorbei skrupellos absahnten, sorgt für Empörung, lässt eigene Verantwortlichkeit wie Dummheit aussehen. Von den "neuen Asozialen der Gesellschaft" ist die Rede, der maßlosen Gier und Verantwortungslosigkeit der Manager. Schürt der Steuerskandal das Gefühl des "wir hier unten, ihr da oben"? Verstärkt er das ohnehin vorhandene Empfinden, ja die Erfahrung, die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland seien ungerecht? Ist diese Stimmung nicht zugleich ein Nährboden für die oben beschriebene Gewalt?
 
Nicht Politik- oder Wirtschaftsverdrossenheit, nein, schlicht und einfach das Vertrauen in den „schöneren, menschlicheren Teil unseres Wesens“ (Heinrich von Kleist), bewegt uns, all monatlich auch unseren „Schaukasten“ auf- und umzufüllen, denn er ist, wie alle Programmteile, ein höchst lebendiger Apparat. Auf die Bitte nach Semesterabschluss: "Bleiben Sie schön im Rhythmus mit dem Lernen“, antwortete Maxime, Wirtschaftsstudent aus Frankreich und für ein Jahr an der Humboldt-Universität zu Berlin ergänzend: „Und im Rhythmus mit den Gedichten“. Jeden Dienstag belebte er unseren Unterricht mit Versen seiner Wahl. Jetzt sandte er uns „Ewigkeit, wie bist du lang“ von Heinrich Heine, angeregt durch unsere Lerneinheit im Spektrum „Kultur“ zum Heine-Jahr 2006.
Das neue Jahr begann u.a. mit der Erinnerung an den 75. Geburtstag der Schriftstellerinnen Maxie Wander und Brigitte Reimann, deren Bücher ein großes Echo bei ihren Leser/-innen hervorriefen. Leider sind beide schon sehr früh verstorben; im August wird sich der 75. Geburtstag der 1990 ebenfalls verstorbenen großen Autorin Irmtraud Morgner fügen. „Googelt“ man nach Brigitte Reimann, findet man wenig Information. Das bestätigt die Meldung von „ZUM Wiki“: „Obwohl die ehemalige DDR einige der besten, interessantesten und provokantesten Schriftstellerinnen Deutschlands, wie zum Beispiel Anna Seghers, Christa Wolf, Irmtraud Morgner, Sarah Kirsch, Maxie Wander, Brigitte Reimann, Helga Schubert, Helga Königsdorf, Monika Maron, und Elke Erb, um nur einige zu nennen, produzierte, liegen wenige leicht verfügbare Informationen über diese Autorinnen vor.“ Dies sollte auch uns vielleicht anspornen, wieder neu auf Lesereisen zu gehen. Jedes Leseland, so weit es auch entfernt sein mag, hat doch seine Visionen und Probleme, seine Möglichkeiten und seine Richtung. Für Irmtraud Morgner gibt es seit Jahren in ihrer Geburtsstadt Chemnitz einen sehr aktiven Frauenkreis, der um die öffentliche Aufmerksamkeit dieser Literatur wirbt. Wir werden in ihrem Geburtstagsmonat August eingehend darauf hinweisen.

„Sei gegrüßt und lebe“, ist der Titel des Briefwechsels zwischen Brigitte Reimann und Christa Wolf, einer Freundschaft in Briefen. Voll von Auflehnung und dem Versuch, wirksam und nachhaltig gegen Resignation anzukämpfen.

Ihre Margret Liebezeit und Projektgruppe

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