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Ludwig Uhland (1787-1847)
Der Sommerfaden

Da fliegt, als wir im Felde gehen,
Ein Sommerfaden über Land,
Ein leicht und licht Gespinst der Feen,
Und knüpft von mir zu ihr ein Band.

Ich nehm' ihn für ein günstig Zeichen,
Ein Zeichen, wie die Lieb' es braucht.
O Hoffnungen der Hoffnungsreichen,
Aus Duft gewebt, von Luft zerhaucht!

Ludwig Uhland Gutenberg-DE

zum Übungskalender
 

Gedanken zum Juni 2008

Monat Juni
 
Wieder erleben wir ein kleines Wunder im Tierreich und stehen vor einem Sommer-Bild besonderer Art. Im Strandbad, unten dicht am See, schmiegen sich fünf Schwanenküken auf Gras- und Pflanzenresten nahe dem Sand eng aneinander. Im kleinen Abstand von diesem grauen Federknäuel liegen noch zwei Junge mit ihren schwarzen Schnäbeln. Zu beiden Seiten dieser kostbaren Kükenschar wachen die Schwaneneltern, Männchen und Weibchen könnte man schwerlich unterscheidend zu ihnen sagen, sie sind beide groß und erwachsen, friedlich und fast lammfromm. Bleibt man ruhig stehen, geschieht überhaupt nichts, sie bleiben auch ruhig.
Sofort auf die flauschige Bande zuzugehen, wird von dem fürsorglichen Schwanenpaar als Bedrohung aufgefasst. Dann natürlich versuchen beide, ihre Jungen zu beschützen …

Berichte über zunehmende Vernachlässigung und Missbrauch von Kindern haben uns erneut aufgeschreckt. Solch ein Ausmaß an Gewalttaten gegen Kinder und an Entwürdigung der kleinen menschlichen Geschöpfe haben wir uns bisher in unserer zivilisierten Gesellschaft nicht vorstellen können. Nicht wegzuschauen, sondern den Ursachen dafür auf den Grund zu gehen - eine Selbstverständlichkeit und zugleich Herausforderung für ein humanes Miteinander!
Vor wenigen Monaten ließen in einer Dachgeschosswohnung in Schwerin die Eltern ihre fünfjährige Tochter Lea - Sophie verhungern. Anfang Juni mussten sie sich, Nicole G., 24 und Stefan T., 26, wegen gemeinschaftlichen Mordes und Misshandlung Schutzbefohlener verantworten. Die junge Frau und ihr gesellschaftliches Umfeld können stellvertretend für viele tragische Fälle gesehen werden. Mit tränenerstickter Stimme trägt die Mutter im Gerichtssaal vor: „Ich habe Lea - Sophie geliebt, aber ich war überfordert“ (J. Diehl, SPIEGEL, 02.06.08). Darüber bleibt nachzudenken. Ein Untersuchungsausschuss der Stadtvertretung kam zu dem Schluss, dass bei verantwortungsvollem Verhalten der Behörden der Tod dieses kleinen Mädchens hätte verhindert werden können.
Zwar können heute immer wieder frische Blumen an das Kindergrab gestellt werden, der Volkszorn in Schwerin aber war nicht zu besänftigen. Fast 30 000 Schweriner „kegelten“ (Friederike Freiburg, SPIEGEL, 28.04.08) Oberbürgermeister Claussen per Bürgerentscheid wegen empörender Versäumnisse Ende April aus dem Amt. Bundesweit hatte ihm seine zynische, pietätlose Äußerungsweise Kritik eingebracht, Schwerin habe im Fall der qualvoll verhungerten Fünfjährigen „Pech gehabt“, so waren seine Worte. Vorwürfe über Fehlverhalten von Beamten wegen unterlassener Hilfeleistung wiesen das Schweriner Jugendamt und die Stadtverwaltung strikt zurück. In wochenlanger endlich aktiver Kontrolle der Kommunalpolitik zeigten aber wache Bürger/-innen, dass eine Rettung von brutal misshandelten Kindern möglich ist, würden sich nicht viele so gleichgültig verhalten – selbst Ärzte und Vertreter vom Stadtparlament. Dies wurde erschütternderweise auch im Fall des zweijährigen Kevin aus Bremen bestätigt, der ein gleiches Schicksal erdulden musste.

Angesichts solcher Situationen setzten wir mit dem Weltkindertag am 1. Juni 2008 fort, dem Kind in der Vielfalt und Breite seiner Lebensfelder unsere volle Beachtung zu schenken. Anknüpfend an jene berichteten Leidensgeschichten beunruhigte uns die Mitteilung in der Schweriner Volkszeitung vom 21. Juni. Nach vorsichtigen Schätzungen des Gesundheitsamtes verpassten die Eltern von mindestens 500 Kleinkindern in Rostock die obligatorischen Vorsorgeuntersuchungen. „Eine Misshandlung oder einen Missbrauch eines Kleinkindes musste Birgit Freese ‚Gott sei Dank’ noch nicht diagnostizieren. Die Kinderärztin aus Toitenwinkel untersucht in der Woche acht bis 15 Kinder im Alter von wenigen Monaten bis zu sechs Jahren sprichwörtlich auf Herz und Nieren. Die so genannten Früherkennungs-Untersuchungen U1 bis U9 seien aus ‚fachlicher Sicht absolut geboten’, sagt die Ärztin“(Christoph Fox). Dennoch gebe es Eltern, die sich total verweigern.
Studien belegen, dass vor allem Familien in schwierigen sozialen Umständen diese Termine meiden, wie das bei Lea - Sophie, Kevin u. a. bitter deutlich wurde. Erneute kritische Aufmerksamkeit für die seit Jahren geführte Diskussion über Kinderbetreuung, Kinderschutz, Kinderarmut und mehr erheischt der neue „UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland“, herausgegeben von Prof. Dr. Hans Bertram, Verlag C.H. Beck München 2008. Führende deutsche Kindheitsforscher haben in Zusammenarbeit mit UNICEF geprüft, ob der in Politik und Gesellschaft formulierte Anspruch, allen Kindern in Deutschland ein verlässliches und förderndes Lebensumfeld zu schaffen, auch wirksam eingelöst wird. Sie vertiefen damit die Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudie zum Wohlbefinden von Kindern in den OECD-Ländern von 2007. Diese hatte auf der Basis der UN-Konvention über die Kinder-Rechte erstmals umfassend die Situation von Kindern in den so genannten reichen Ländern verglichen: die materiellen Voraussetzungen, Bildung, Gesundheit, persönliche Sicherheit, Beziehungen zu den Eltern und Freunden sowie das persönliche Wohlbefinden.
Die Antworten auf viele Fragen zu diesen das Kindeswohl wesentlich beeinflussenden Faktoren erbringen das ernüchternde, frappierende Ergebnis: „Deutschland mag zwar eine der wichtigsten Exportnationen dieser Erde sein, in Bezug auf das Wohlbefinden der hier lebenden Kinder kann es jedoch in allen untersuchten Dimensionen allenfalls als Mittelmaß gelten (Hans Bertram, UNICEF-Bericht, S. 12)“ – und dies, obwohl Deutschland, wie vielerorts bestätigt, erhebliche Mittel für die Förderung von Kindern und Familien aufbringt.

Die neuen Untersuchungen zu Entwicklungschancen und Wohlbefinden von Kindern fördern und unterstützen unserer Meinung nach das vernetzte Denken, indem sie zu dem Ergebnis kommen, „dass sich das Wohlbefinden von Kindern durch Einzelmaßnahmen nicht nachhaltig verbessern lässt. Vielmehr müssen Bund, Länder und Gemeinden ihren zersplitterten, an einzelnen Ressorts orientierten Ansatz aufgeben und das Wohlergehen von Kindern in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen“(Pressemitteilung). Mit dieser Sicht korrespondiert unser Themen-Geflecht von Familien- und Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Im Fragenkatalog zu der den „Kinder-Monat“ Juni bestimmenden Lerneinheit - mit sorgendem Blick auf den Nachwuchs in Deutschland - werfen solche Denkanstöße ein erhellendes Licht auf Politikfelder, in denen die Wirtschaft und Soziales als eine unauflösbare Gemeinschaftsaufgabe der Gesellschaft gesehen werden müsste. Die Komplex-Frage: „Wodurch ist der Alltag von benachteiligten Kindern geprägt?“ evoziert sozial-ökonomische Detailfragen nach möglichen Folgen von Arbeitslosigkeit, von prekären Arbeitsverhältnissen der Eltern im Familienalltag, zusammengefasst unter dem Begriff „Arm trotz Arbeit“; weiterhin Fragen nach Status und Struktur von Familien, Allein- oder Gemeinschaftserziehung, Gesundheitszustand, Fähigkeitsbeförderung u.v.a.m.
Die Autor/-innen des Kinder-Lageberichts in Deutschland verweisen natürlich darauf, dass Kinderarmut nicht mit dem Kinderelend in Entwicklungsländern vergleichbar ist. Trotzdem habe Geldmangel auch in Deutschland für einen Teil der nachwachsenden Generation erhebliche negative Konsequenzen. Lebendiges Lernen heißt hier herauszufinden, was unter Hoffnungslosigkeit, Mangel und Ausgrenzung - diese kindesunwürdigen Tatsachen werden als besonders ernst und gefahrvoll hervorgehoben - im Einzelnen zu verstehen ist. Wovon hängt der Schulerfolg von Kindern wesentlich ab? / Wovon profitieren sozial benachteiligte Kinder und Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund in diversen, aber immer angemessenen Kindertageseinrichtungen?, so lauten weitere Kernfragen aus einem großen und umfassenden Problempool, der von Lernern und Lehrern wechselseitig angereichert werden kann.
Die notwendig zu erreichende genaue Wahrnehmung und Veränderung von problematischen Lebensbedingungen der alltäglichen Realität von einem immer größer werdenden Teil von Kindern und Jugendlichen lassen dann Prof. Dr. Hans Bertrams Forderung nach einem Perspektivwechsel für Kinder in Deutschland verstehen. Er führt weg von einem funktionalistischen Blick auf den quasi Nutzwert von Kindern, wie er sich seiner Meinung nach z.B. oberflächlich in dem Begriff für die „alternde Gesellschaft“ niederschlägt. Und er führt hin zur Umsetzung der Rechte der Kinder und der Verbesserung ihrer individuellen Zukunftschancen.

Caritas-Präsident Peter Neher wurde von den Tagesspiegel Reportern Rainer Woratschka und Martin Gehlen im Interview gefragt (23.03.2008): „Was halten Sie von dem Argument, nicht die materielle Armut, sondern die Verhaltensarmut sei inzwischen das Hauptproblem in Deutschland?“ Seine Antwort lautet und sie unterstützt unseren Denk- und Lernansatz von oben, dass Armut nicht nur in materieller Armut besteht. Diese nennt er verdeutlichend „Teilhaberarmut“ und zählt auf, um es noch einmal zu skizzieren: einerseits die fehlenden Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Prozess erfolgreich teilzunehmen; andererseits die fehlenden Kompetenzen, sein Leben selbst bestimmt zu gestalten. Diese Sicht darauf, was relative Armut bedeutet, erweitert das sprachliche Potential und fördert eine humanistische, kooperative Einstellung, die weit über Ländergrenzen hinausgeht.
Der Internationale Tag gegen Kinderarbeit am 12. Juni lenkt unsere Aufmerksamkeit und Gefühlslage auch in diesem Jahr wieder auf die reale Armut von Kindern vor allem in den Entwicklungsländern. Im Themen-Spektrum „Öffentlichkeit“ setzen wir die Lerneinheit zur oben erörterten Thematik in Deutschland direkt neben das Sprachtraining zum Globalen UNICEF-Bericht „Fortschritt für Kinder“ anlässlich der UN-Sondersitzung zur Lage der Kinder vom Dezember 2007. Zwar hieß es dort, dass die Zahl der Kinder ohne Grundbildung erstmals unter 100 Millionen gesunken sei. In die Linksammlung zur schon bestehenden Sprachübungseinheit zum „Globalen Fortschrittsbericht für Kinder“ vom Anfang des Jahres mussten wir aber die aktuelle Kritik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angesichts wieder gemeldeter skandalöser, ausbeuterischer Kinderarbeit aufnehmen: „Kinder gehören in die Schulen, nicht in den Bergbau.“ Nach Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), gebe es weltweit 165 Millionen Kinderarbeiter im Alter zwischen 5 und 14 Jahren. Fast die Hälfte davon, und das sind 74 Millionen!, sei dabei erheblichen Gefährdungen ausgesetzt. Heute ist bekannt, diese Kinder besuchten oft keine Schule, erhielten keine Ausbildung. Stattdessen würden sie zum Beispiel, wie erwähnt, im Bergbau eingesetzt, weil sie durch kleine Schächte getrieben werden können. Das Potenzial von Kindern für diese profitsüchtigen Machenschaften auszunutzen, macht uns zornig und anklagend.

Unsere Juni-Gedanken widmen wir auch einem sehr mutigen Mädchen Jemens. Mit Freude und Bewunderung lasen wir in der Berliner Zeitung vom 17.April: „Nujud Nasser hat sich etwas getraut, was noch kein anderes Mädchen im Jemen gewagt hat“. Die achtjährige „Ehefrau“ – unvorstellbar - ging vor Gericht, um die Scheidung von ihrem Ehemann zu erwirken, mit dem sie durch ihre Familie zwangsverheiratet worden war. „Und sie fand Gehör: Ein Richter in der Hauptstadt Sanaa annullierte die Ehe und setzte den 22 Jahre älteren Ehemann fest“ (Susanne Rost). Ein Frauenhaus in Aden kümmert sich um Mädchen, die aus Zwangsehen fliehen und traditionelle Fesseln aufzubrechen wagen. Im Artikel „Die Kinderbräute von Jemen“ (Berliner Zeitung, 21./22.06.08) musste Regina Kerner warnend feststellen: „Finanziert von Deutschland – noch.“

UNICEF und die Kinderschutzorganisation ECPAT fordern die Bundesregierung, Internetprovider und Öffentlichkeit zum verstärkten Kampf gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern auf. „Kinderpornografie und Kinderhandel haben sich zu riesigen Märkten mit enormen Gewinnspannen entwickelt“, sagte die stellvertretende UNICEF-Direktorin Hilde Johnson in Berlin bei der Konferenz „Kinder sind unverkäuflich!“. Die von UNICEF, ECPAT und der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierte Tagung dient der Vorbereitung des 3. Weltkongresses gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen im November 2008 in Rio de Janeiro. Unser Juni-Thema zum Schutz des Kindeswohls - national und international – wollte deshalb konstruktiv weiterführende Gedanken ermöglichen, die über den Monat hinausführen und den Verantwortungs-Horizont der Programmnutzer/-innen über das Jahr hinweg im Fluss halten und erweitern. Das trifft übrigens inzwischen für die Mehrzahl unserer erarbeiteten Kernthemen zu.

Und wir sollten einen weiteren Internationalen Gedenktag im Juni in den Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen setzen. Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni ruft UNICEF zu verstärkter Hilfe für die Kinder im Irak auf. Fünf Jahre nach dem Beginn des Krieges bestimmten Unsicherheit, Gewalt, Angst und Armut ihr Leben. Seit 2006 mussten über 850.000 Kinder und Jugendliche mit ihren Familien ihre Häuser verlassen und sind seither innerhalb des Landes auf der Flucht. Fast jedes zweite Kind im Grundschulalter gehe nicht zur Schule. Die Aufzählung der Leiden dieser heranwachsenden Generation ließe sich fortsetzen. Wir werden darauf zurückkommen und den Themenbereich so anreichern, dass er unsere Lerner weiterhin sensibel dazu befähigt, auch über die Fremdsprache für die Probleme, also für die Rechte der Kinder einzutreten. „Wer die Kinder verliert, der verliert nicht nur den Krieg, sondern auch die Zukunft“, diese merkenswerte Feststellung der internationalen UNICEF-Botschafterin Vanessa Redgrave begegnet dem Anliegen von Hans Bertram: „Das kindliche Wohlbefinden ist ein zentrales Element der Zukunftsgestaltung einer jeden Gesellschaft.“

In der Riverboat - Sendung vom 4. Juli im Mitteldeutschen Rundfunk legte der Autor Jürgen Todenhöfer mit äußerster Nachdrücklichkeit dem Freitagabend-Publikum sein Buch „Warum tötest du, Zaid?“ ans Herz. Wenn wir mit dem Kauf dieses Anti-Kriegsbuchs das Leid der irakischen Kinder mit-lindern können, wozu der Autor leidenschaftlich aufruft, bestellen wir den Titel schleunigst in der Buchhandlung um die Ecke.

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