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Mit Anselm Kiefer ist zum ersten Mal ein Bildender Künstler mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. In seiner Dankesrede kritisierte der Maler die mangelnde Vergangenheitsbewältigung in Deutschland: "Die Ruinen wurden schnell abgetragen, die gesprengten Bunker entsorgt", erklärte Kiefer. Das Zustopfen und Auslöschen habe sich nicht nur auf die Politik erstreckt, sondern auf viele Stellen im ganzen Land. "Die Wunden wurden nicht verbunden, sondern schamhaft versteckt. Verborgen wurden nicht nur Gebäude, sondern alles, was die Nazis berührt hatten."

Ähnliches sei nach dem Zusammenbruch der DDR geschehen. Das Zuschütten, das Verstopfen des leeren Raumes, habe sich wiederholt. "Wieder eine Stunde Null für alles, was sich 40 Jahre im anderen Teil Deutschlands ereignet hatte." Man hätte den Raum zwischen den beiden ehemaligen Staaten und Systemen leer lassen und regelmäßig pflügen sollen wie einen Zen-Garten, sagte Kiefer. Es sei versäumt worden, im so genannten Todesstreifen "einen Meditationsraum der Geschichte" einzurichten."

Aus der Dankesrede des Künstlers Anselm Kiefer zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2008. Entnommen: Susanne Gabriel, Kiefer kritisiert fehlende "Gedächntisräume" in Deutschland SPIEGELONLINE, 19.10.2008

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Gedanken zum Oktober 2008

Monat Oktober
 
Jetzt heißt es für die Männer und Frauen der Stadtreinigung: Antreten zum Aufräumen. Harke und Laubpuster (motorisierter Laubsauger) werden ausgepackt. Den bunten Blättern auf den Straßen geht es an den Kragen.
Gefegt, geharkt und zusammengerecht wird schon seit Tagen. Straßen, Plätze sowie Fußwege müssen laubfrei werden. Doch gegen das herabfallende Blättermeer - in Zitronen- und Honiggelb, in Rost, Ocker und Orange, in Burgunder- und Purpurrot - sind die Stadtreiniger nahezu machtlos. So verstopfen die Blätter dann auch etliche Siele und Gullys und lassen sie überlaufen.
Tonnen von prachtvollem Laub beseitigt die Stadtreinigung jeden Herbst. Und das aufgefegte Laub muss dann noch geputzt werden; in einer Spezialanlage werden die Blätter zu Pellets gepresst, mit Mineralien angereichert und in der Landwirtschaft als Dünger eingesetzt. So kann es im nächsten Frühjahr wieder auf Felder und Beete ausgebracht werden …

Die faszinierende Farbigkeit von Wald und Flur auch in diesem Herbst geht einher mit einer übervollen „vielfarbigen“ Palette von Geschehnissen lokaler und globaler Natur, auf lokaler oder globaler Ebene. Es ist schwer, die von der weltweit wirkenden Finanzkrise ausgehende Spannung und Anspannung auszuhalten. Es erinnert an die Situation nach dem 11. September 2001. Fachleute aus Politik, Ökonomie, Wissenschaft, Kunst – Bürgerinnen und Bürger nah und fern – versuchen, die Erschütterung der Finanzwelt zu verarbeiten, einzuordnen und daraus Hoffnung für die Zukunft und Orientierung zu finden.
Solchem Druck sei entgegengewirkt, wenn wir uns zunächst den Kernthemen des Oktobers zuwenden. Die Journalistin Angela Elis, aus Leipzig stammend, einem großen Publikum als Fernsehmoderatorin, unter anderem bei „Fakt“, bekannt und seit 2005 auch - zusammen mit dem „Wessi“ Michael Jürgs - als Verfasserin des Buches „Jammerossi gegen Besserwessi, schreibt im „Tagesspiegel“ vom 16.10. „Wir Ostdeutschen mussten nach der Vereinigung die bittere Pille schlucken, dass mit der ach so heiß begehrten Ankunft des harten Westgelds nicht nur eine neue Freiheit verbunden war, sondern die Vereinnahmung unter eine neue Diktatur, die Herrschaft des Kapitals. Dessen Gebieter lechzen nach Rendite, selbst wenn sie dafür Seifenblasenhäuser verkaufen oder moralische Werte auf dem Ramschtisch der Weltökonomie verhökern müssen“. Angela Elis zeigt sich darüber verblüfft, „wie sich die langen Schlangen vor den Läden in lange Schlangen vor dem Arbeitsamt verwandelten“ und gibt zu: „So hatten wir uns die Segnungen der Marktwirtschaft nicht vorgestellt.“
Seit einigen Jahren legen wir – das sichert Kontinuität und Vergleichsmöglichkeiten - unserer Lerneinheit zum ost-west-deutschen Vereinigungsprozess den „Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit“ zugrunde, vorgelegt derzeitig vom Bundesbeauftragten für den Aufbau Ost und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Hier wird, wie im Vorjahr, auf die schwierigen Erfahrungen, so die hohe Arbeitslosigkeit und die Erkenntnis, dass die Wirtschaftskraft in den neuen Ländern noch sichtbar hinter der in den alten Ländern zurückliegt, eingegangen. Als eine Reaktion auf die Vorlage des Jahresberichts im Kabinett zeichnete der Konjunkturchef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) Prof. Udo Ludwig dementsprechend problembehaftet, ein düsteres Bild von der Entwicklung der Neuen Länder. „Ostdeutschland holt erst im Jahr 2030 auf“, sagte er zu FAZ.NET. Bis gleiche Wachstumsraten in Ost und West erreicht würden, dauere es also noch etwas mehr als 20 Jahre. Zur Verstärkung der Lage und auch kritisch gegenüber Tiefensee kommentiert Ludwig: „Tiefensee rechnet sich reich“, nach Ludwigs Berechnungen liege das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Ostdeutschland nur bei 67 Prozent des Westniveaus (Nach Tiefensee rund 70 Prozent). Ludwig macht auch auf die Gefahr aufmerksam, dass sich die Kluft zwischen Ost und West noch vertieft. Die Schere sei in den letzten Jahren geöffnet geblieben; in Zukunft bestehe gar die Gefahr, dass sie wieder weiter auseinander gehe. Das liege vor allem daran, dass der Aufschwung der vergangenen Jahre im Osten nicht voll angekommen sei. Erschwerend komme nun die Finanzkrise dazu.
SUPERillu, das Wochen-Magazin, so zusagen so alt wie die Einheits-Situation und 21 Prozent der Ostdeutschen erreichend, sprach mit Dr. Wolfgang Böhmer, dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, von Beruf Mediziner. Auf die Frage: „Würde ein Einbrechen der Konjunktur den Osten härter treffen als den Westen?“ Die Antwort: “Wenn es zu einer echten wirtschaftlichen Depression käme, dann würde die Wirtschaft im Osten härter getroffen, weil sie noch nicht so robust aufgestellt ist, wie die im Westen. Das ist wie mit der Grippe, die bekanntlich den Schwächsten zuerst erwischt.“

Neben dem zu Recht beschriebenen „Gespaltenen Deutschland“ in Bezug auf die Wirtschaft - die Gründe dafür sind sehr komplex -, lasen wir von Martin U. Müller im Wochenmagazin DER SPIEGEL am 4.10. über die noch verbliebene „Mauer in den Medien“, dass sich 19 Jahre nach dem Mauerfall auch immer noch ein tiefer Graben durch die deutsche Medienlandschaft ziehe. Und er führt medienrelevant dazu weiter aus: „Ob ‚Süddeutsche’ oder ‚FAZ’, ‚Stern’, SPIEGEL oder ‚Focus’, ARD oder ZDF – alle sind im Osten weit weniger erfolgreich als in den alten Bundesländern.“ Müller beklagt, die westdeutschen Printtitel erzielten von Zittau bis Rostock fast durchweg geringere Reichweiten, die öffentlich-rechtlichen Westanstalten schwächere Quoten. Selbst "Bild" käme im Osten schlechter an. Der Autor begründet seine These mit einer Charakterisierung seiner Landsleute im ehemals östlichen Teil Deutschlands. „Ossis seien anders. Vielen fehle der Sinn für Gesellschaftsthemen, meinen Kommunikationswissenschaftler. 40 Jahre lang hätten sie sich vor allem im Privaten wohl gefühlt, in der Familie, in Hausgemeinschaften oder auf der Datsche. Und auch heute interessierten sie sich vor allem für ihr unmittelbares Umfeld und noch ein bisschen für Rot- und Blaulicht-Themen.“ So scharfe, undifferenzierte Trennlinien nach 19 nicht problemlosen, aber doch anerkannten Versuchen, die deutsche und viel beschworene europäische Einheit herzustellen!
Es scheint, Angela Elis und Michael Jürgs füllen mit ihrem „flotten, amüsanten und leicht lesbaren ’Typisch Ossi – Typisch Wessi’ Buch“ (Brigitte Beck) immer noch eine entscheidende Marktlücke, indem sie den interessierten Lesern die Chance geben, „ihre (Vor)urteile bestätigt zu finden und gleich danach ins Grübeln zu kommen, wenn sie mit der Sicht des anderen konfrontiert werden“ (Brigitte Beck). Die Rezensentin, „von Haus aus eine verbohrte Altwessi“, bekennt, dass Mitteilungen aus diesem Buch ihren Horizont nach Osten erweitert haben. So seien von uns auch die noch übrig gebliebenen Ost-Medien empfohlen; sie behaupten sich in unseren themenbezogenen Linksammlungen gleichberechtigt neben den nach Meinung von Martin U. Müller oben erwähnten West-Kernmedien.
 
Die Frage „Müssen wir jetzt Angst vor dem Abschwung haben?“, beantwortete der Konjunkturexperte Udo Ludwig aus Halle im August noch mit einem klaren „Nein“. IWH und auch Ifo-Experten meinten, die so genannte konjunkturelle Wetterlage würde sich wieder aufhellen. Jüngste Daten aus der Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaft im Oktober belegen jedoch, die deutsche Wirtschaft befinde sich nun im Herbst des Jahres 2008 am Rande einer Rezession.
Wieder wird von uns unweigerlich komplexes Denken und vernetztes Lernen verlangt. Ökonomisches Sachwissen und Wirtschaftsdeutsch im Zusammenhang mit der viel analysierten Tendenz nach oben und unten in den letzten 3 Jahren - hauptsächlich vermittelt über die Ifo Geschäftsklima-Indizes (München) und die IWH-Konjunkturbarometer (Halle) - werden nun erweitert und vertieft durch die Meldungen zur Rezessionsangst und Krisenbewältigung in der deutschen und globalen Wirtschaft. Zur zeitnahen Bereitstellung eines abwechslungsreichen Übungspensums verfolgen wir u.a. im Wechsel auch die führenden TV-Talk-Shows und verarbeiten Argumente und Polemiken aus der lebhaften Diskussion. In der sonntäglichen ARD-Abendsendung zu einer noch zuschauerfreundlichen Sendezeit von 21.45-22.45 Uhr „Politisch denken – Persönlich fragen“ sind z.B. im Oktober die von Anne Will geführten Sendungen nachzulesen oder im Video nachzusehen zu solch brennenden Punkten wie: „Turbo-Kapitalisten außer Rand und Band – Warum zahlen wir für die Versager?“ / „Banken in Staatshand – Kapitalismus am Ende?“ / „Milliarden für die Banker – Zahlen die Bürger die Zeche?“ / „Krise ohne Ende – Jobs und Wohlstand in Gefahr.“ Diese äußerst kontroverse Diskussions-Reihe weckt Erwartungen auch für den November.
Man könnte meinen, medizinische Denkkategorien müssten jetzt zum Einsatz kommen, wie Diagnose – Prognose – Therapie. Zur Wachstumsprognose der Bundesregierung erklärte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Ludwig Stiegler: „Bundesregierung und die sie beratenden Ökonomen haben lange gezögert, bevor sie die dunklen Wolken am Horizont der weltwirtschaftlichen Entwicklung wahrnehmen wollten. Der Blick in den Rückspiegel war da idyllischer. Nun aber ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Europa und Deutschland drohen Rezession und Stagnation. Arbeitslosigkeit und Steuerausfälle sind als Menetekel an die Wand geschrieben.“
Für unser Sprachtraining müssen wir nun sorgfältig auswählen, welche Aspekte die Lernenden weltweit am meisten bewegen. Der Frage beispielsweise „Warum geriet dieser Turbo-Kapitalismus außer Rand und Band?“ müssen sich schonungslos viele weitere anschließen. Nicht nur die Fehler in den internationalen Finanzsystemen, sondern auch die Gewinngier vieler Manager werden als Ursache der Finanzkrise gesehen. Im Tagesspiegel-Interview (16.10.2008) äußert sich BDI-Präsident Jürgen Thumann zu solchen Vorwürfen, gesteht Fehler ein und bemängelt fehlende Kontrolle auf den Geldmärkten, leider eine aus dem gesamten Management noch äußerst selten zu vernehmende selbstkritische Aussage.
Zündende Hauptthemen, weil unzählige Menschen zu leiden haben werden, stehen im Zusammenhang mit den Folgen dieser Krise. Anne Seith im SPIEGEL beschreibt schon den KRISEN-DOMINO Effekt: „Bänder stehen still, feste Mitarbeiter müssen in die Zwangsferien. Leihkräfte fliegen raus. Die Finanzkrise ist in der Realwirtschaft angekommen.“

Im SPIEGEL-Interview mit Muhammed Yunus beklagt der Friedensnobelpreisträger von 2006 in diesen Tagen: „Der „Kapitalismus hat sich zu einem Casino degeneriert.“ Er weiß, wovon er spricht, denn er erhielt die hohe Auszeichnung, da er Wege gefunden hat, die Lebensqualität von Millionen Menschen in Pakistan durch Weckung ihrer Eigeninitiative wirksam zu verbessern. In diesen turbulenten Wochen meldet er sich als Anwalt der armen Schichten wieder zu Wort. Im Gespräch mit Jürgen Heraeus, Vorsitzender UNICEF Deutschland, überschrieben „Die Globale Finanzkrise – Ein Tsunami für die Armen“, gibt er seiner Sorge um die Entwicklungshilfe Ausdruck: „Humanitäre Organisationen werden weniger zur Verfügung haben, Stiftungen werden um Geld streiten. Vereinbarungen werden aufgeschoben. Ich befürchte ein Austrocknen der Mittel. Die armen Leute sind von zwei Seiten getroffen - von der wirtschaftlichen Seite und von sinkenden Hilfeleistungen. Niemand weiß, wie sich die Nahrungsmittelpreise entwickeln werden, und wenn es keine Kredite mehr gibt, wird möglicherweise auch noch der Agrarsektor getroffen.“ Zusammen mit Muhammed Yunus hoffen wir, dass dies alles nicht eintritt, wir wissen aber mit ihm „ die Aussichten sind düster“. Schon einmal im laufenden Monat bewegte uns die Härte der Lage. In 33 Ländern weltweit herrscht eine sehr ernste bis gravierende Hungersituation. Diese Länder bilden die Schlusslichter im Welthunger-Index 2008 (WHI 08), den das Forschungsinstitut für Ernährungspolitik (IFPRI) aus Washington und die Welthungerhilfe anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober in Berlin vorgestellt haben. Jeremy Rifkin sieht so drei Krisen auf einmal. Seiner Meinung nach wird die globale Kreditkrise dadurch noch komplizierter, dass diese Krise mit der globalen Energiekrise und dem globalen Klimawandel einhergeht, was sich zu weltweiten komplexen Verheerungen auswachsen kann. Über Beispiele dafür wird täglich berichtet.
Die Entscheidung der amerikanischen Wählerinnen und Wähler steht vor der Tür. Sie bietet nach acht Jahren Bush-Politik die Möglichkeit für positive Veränderungen in den internationalen Beziehungen und die Chance für mehr Demokratie, zum Beispiel durch die endliche Schließung der Guantánamo-Hölle und für mehr Gerechtigkeit weltweit, etwa durch einen der dritten Welt Selbstentwicklung ermöglichenden gleichberechtigten Welthandel und eine internationale Klimavereinbarung, die auch von den USA nicht mehr sabotiert, sondern unterzeichnet wird.
In unserem virtuellen Schaukasten, immer unterhalb des Übungskalenders auf dem Bildschirm, belegt Martin Luther in der Abteilung „Buch & Medien“ am 31. Oktober jeweils das letzte Fenster. Viele erinnern sich am Reformationstag seiner bekennenden Worte: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“ Luthers Thesenanschlag vor ca. 500 Jahren gegen die Abhängigkeit der Christenmenschen von der damaligen römischen Päpstlichkeit ist Sinnbild geworden für die kleineren und größeren Aufbrüche, dafür, Fehlentwicklungen vehement zu widersprechen und in eigener Ermächtigung zu handeln.

Sie kennen mein Abschlusswort:
Ermutigen wir uns gegenseitig in diesem Sinne.

Ihre Margret Liebezeit und Projektgruppe

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